Zurück zur Übersicht

„Journalismus sollte alle erreichen“

"Vier junge Medienmacher:innen diskutieren über Sales-Skills und Marketingideen, Print-Anzeigen und Digitalabos sowie über eine Reform der Medienförderung"

Clara, du hast das Onlinemedium Andererseits mitgegründet. Wie finanziert ihr euch?

Clara Porák: Unser Medium hat mehrere Standbeine: Mittels Crowdfunding haben wir gleich in der Anfangsphase Jahresabos in der Höhe von 40.000 Euro verkauft. Das heißt, die Menschen unterstützen uns in erster Linie, weil sie an unser Projekt glauben, nicht, weil sie für einen bestimmten Content bezahlen. Dann haben wir eine Medienprojektförderung der Wirtschaftsagentur Wien bekommen, die unser erstes Jahr ausfinanziert hat. Zum Dritten bauen wir auf klassisches Sponsoring durch Unternehmen, die auf unseren Events präsent sein dürfen.

Christian, auch du hast mit Alexandria vor zwei Jahren eine Mediengründung gewagt. Wie hat sich die Finanzierung entwickelt?

Christian Bauer: Auch wir haben eine Förderung der Wirtschaftsagentur Wien bekommen, die uns die Produktion der ersten Ausgabe ermöglicht hat. Deren Erlös hat die zweite Nummer finanziert. Danach haben wir uns auf die digitalen Kanäle – Website und Podcast –  fokussiert, um uns finanziell unabhängig zu machen. Der Traff ic hat sich sehr gut entwickelt, aber es war nie genug, um den Betrieb wirklich durchzuf inanzieren. Wir als Redaktion haben immer unbezahlt gearbeitet. Zurzeit konzipieren wir ein Wissenschaftsmagazin für Oberstufenschüler:innen und versuchen uns so – vielleicht auch mit einer Förderung der Stadt Wien – ein zusätzliches Standbein zu schaffen.

Paul, du studierst noch – ist die Finanzierung von Medienprojekten Teil der Ausbildung?

Paul Koren: Die Praxis bei dem Thema bleibt im Studium leider etwas auf der Strecke. Es gab aber eine Lehrveranstaltung, wo Georg Eckelsberger von Dossier über deren Zugang berichtet hat: Neben Workshops und Medienkooperationen ist der Aboerlös des gedruckten Heftes das Herzstück ihrer Finanzierung – und mir leuchtet auch ein, warum das so ist. Ein pures Onlinemedium zu abonnieren, ist auch für mich einfach schwer vorstellbar: Wenn du ein Qualitätsmagazin „immer verfügbar“ auf dem Smartphone hast, liest du es, glaube ich, im Endeffekt seltener, als wenn es in Papierform zu Hause herumliegt.

Christian Bauer: Diese Beobachtung teile ich. Es ist interessanterweise noch immer so, dass sich Anzeigen im Print besser verkaufen als online. Deshalb werden wir bei Alexandria uns jetzt wieder mehr auf die Printausgaben konzentrieren. Für die Website bekommen wir zwar auch immer wieder Anfragen für Advertorials, aber die meisten davon müssen wir ablehnen, weil sie zu unseriös sind.

Muss die Finanzierung eines Mediums Journalist:innen eigentlich interessieren?

Viktoria Nedwed: Im Studium und auch im Medienbetrieb wird ja gerne kommuniziert: Die redaktionelle und die geschäftliche Seite sind sauber voneinander getrennt. In der Realität bin ich aber ständig mit der Finanzierungsseite konfrontiert. Ich habe den Eindruck, dass von der jungen Generation auch immer mehr ökonomisches Hintergrundwissen und Sales-Skills erwartet werden. Auch dass sie sich als Individuen, als Journalist:innen „verkaufen“ können.

Clara Porák: Ich interessiere mich nicht für Finanzierung. Ich möchte, dass es Andererseits gibt. Das sind zwei verschiedene Dinge. Ich möchte Journalismus machen, der mir relevant erscheint und Spaß macht. Und irgendjemand in unserem Team musste eben mal sagen: Okay, wir kümmern uns jetzt um das Geld.

Viktoria Nedwed: Ich schreibe für mehrere kleine Medien – und da bekomme ich auch sehr nah mit, wie das mit der Finanzierung läuft. Die Hauptfrage für all diese neuen Medien ist: Wie binde ich Leser:innen langfristig an mein Produkt? Wie bringe ich meine Community dazu, auch regelmäßig zu zahlen? Ich muss zugeben, dass ich mir als Journalismus-Ausgebildete mit diesem Sales-getriebenen Mediendenken oft schwertue.

Sollte Medienarbeit in Zukunft stärker von Steuergeld gestützt werden?

Viktoria Nedwed: Was Österreich betrifft, sind wir uns wahrscheinlich alle einig, dass das gesamte System der Medienförderungen reformiert gehört. Die indirekte Förderung über Regierungsinserate muss aufhören. Und die reguläre Presseförderung gehört vervielfacht.

Paul Koren: Qualitätsvolle Inhalte sollten auf jeden Fall stärker gestützt werden. Warum soll es außerdem nicht mehr öffentlich-rechtliche Medien geben, etwa als Gratiszeitung, die öffentlich aufliegt – gerade in einer Zeit, wo überall zweifelhafte Boulevardinhalte verbreitet werden

Christian Bauer: Die Idee, dass Medien stärker steuergeldfinanziert sein sollten, gefällt mir prinzipiell gut. Die Schwierigkeiten liegen aber auf der Hand: Wer entscheidet über die Verteilung der Gelder? Wie verhindert man inhaltlichen Einfluss durch Journalismus.“ staatliche Stellen? Trotzdem: Ich sehe es als eine Aufgabe des Staates, den Bürger:innen gut aufbereitete Information über demokratische Prozesse leicht zugänglich zu machen. Wir können diese Aufgabe nicht völlig dem Markt überlassen. Da können wir noch so relevante Inhalte produzieren, das wird alles untergehen gegen Meta und Google.

Clara Porak: Öffentlich-rechtliche Medien sind sicher extrem wichtig, aber wir müssen doch den Anspruch haben, Medien zu machen, die unsere Leser:innen so begeistern, dass sie uns dafür ein bisschen von ihrem Geld geben. Zurzeit haben wir in Österreich eine Medienlandschaft, in der ein Milliardär ein Medium ganz allein besitzen kann. Da ist mir jedes durch Leser:innen und Anzeigen finanzierte Medium lieber.

“Ich sehe großes Potenzial im partizipativen Journalismus”

 

Was also muss geschehen, damit guter Journalismus in zehn, zwanzig Jahren überhaupt nochfinanzierbar ist?

Viktoria Nedwed: Ich sehe großes Potenzial im partizipativen Journalismus, also in einem Journalismus, der sich den Interessen eines diversen Publikums öffnet. Dann öffnen sich auch neue Geschäftsfelder, die von der aktuellen Medienszene einfach vernachlässigt werden.

Clara Porak: Viele große Medien produzieren Inhalte an der Lebensrealität von immer mehr jungen Menschen vorbei. Und auch an den wissenschaftlichen Fakten vorbei, was die Dringlichkeit der Klimakrise betrifft. Ich sehe den digitalen Raum daher als große Chance – denn wir können sehen: Wer ist mein Publikum, wen interessiert was? Damit gute Medienarbeit relevant bleibt, brauchen wir aber diverser besetzte Redaktionen, die mutiger auftreten. Im Journalismus sollte es darum gehen, alle Menschen zu erreichen. Und nicht einfach Flächen zu schaffen, die attraktiv für Uhrenwerbungen sind.

Paul Koren: Eine zeitgemäße Medienbildung wird dabei, denke ich, auch eine Rolle spielen. Eine Bevölkerung, die weiß, wie Medien arbeiten und finanziert werden, wird sich auch anders verantwortlich fühlen – also eher bereit sein, Abos zu bezahlen.

 

 

Foto: Christoph Liebentritt

Diskutiert haben

Paul Koren

Nach Matura und Zivildienst begann der 21-jährige Voitsberger ein Journalismus-Studium an der FH Joanneum in Graz. Heuer absolvierte er ein Praktikum bei der Mediengruppe Wiener Zeitung. Sein journalistisches Hauptinteresse gilt der Klimapolitik.

Christian Bauer

Nach dem Studium der Wirtschaftspsychologie hat der 32-jährige Wiener im Jahr 2020 das Wissenschaftsmagazin Alexandria mitgegründet, dessen Co-Chefredakteur er auch ist. Das Medium erscheint zurzeit online und produziert einen Podcast.

Clara Porák

Die 24-jährige Wienerin schreibt als freie Journalistin vor allem zu den Themen Klimakrise und soziale Gerechtigkeit, etwa für den Falter und die Süddeutsche Zeitung. 2020 hat sie Andererseits mitgegründet, ein Onlinemedium von Menschen mit und ohne Behinderung

Viktoria Nedwed

Die 25-jährige freie Journalistin schreibt hauptsächlich für die jungen Wirtschaftsmedien SHEconomy und Smart Maguire. Sie hat 2021 ihr Studium „Journalismus & Medienmanagement“ an der FH Wien abgeschlossen und möchte in Zukunft mehr Videojournalismus machen.

Loading …