Interview: Kim Kopacka
So sieht das Amt der Zukunft aus. Es gibt Dinge, die muss man tun, auch wenn sie keinen Spaß machen. Hausarbeit zählt dazu, aber auch Zahnarztbesuche oder lästige Behördenwege. Letztere sollen künftig erleichtert werden und sich vorwiegend in der digitalen statt in der physischen Welt abspielen – dank der App „Digitales Amt“.
Warum wurde die App „Digitales Amt“ entwickelt?
Die grundsätzliche Idee hinter diesem neuen digitalen Amtsservice ist, dass man in Österreich zukünftig per Smartphone Dinge erledigen kann, die man vorher physisch machen musste, indem man zu einer Behörde ging, um etwa einen Wohnsitzwechsel bekanntzugeben oder eine Wahlkarte zu beantragen.
Was muss man können, um die App „Digitales Amt“ zu nutzen?
Die App ist relativ unkompliziert und selbsterklärend. Man kann sie jederzeit herunterladen, sich aktuell zum Beispiel mit der Handysignatur anmelden und die App dann sofort nutzen, um etwa digitale Verträge zu unterschreiben. Man braucht also keine Angst zu haben, dass man viel lernen muss, um sie nutzen zu können, aber man sollte schon eine halbe Stunde investieren, um sich einzulesen.
Man muss sich also bewusst damit auseinandersetzen?
Genau, es ist der Wunsch vieler, dass man die App startet und alles funktioniert automatisch. Das hat jedoch nichts mit der Realität zu tun, speziell wenn es um Amtswege geht. Die sind eben ein bisschen komplizierter. Aber in der physischen Welt nimmt man sich auch die Zeit, um zum Amt zu gehen und zum Beispiel einen neuen Reisepass zu beantragen. Ähnlich kann man das beim „Digitalen Amt“ sehen. Auch da sollte man etwas Zeit einplanen, um sich mit der App vertraut zu machen. Wenn man sich aber eingearbeitet hat, ist sie durchaus ein Gewinn. Man spart zum Beispiel Geld, weil die Gebühren für Behördenwege reduziert oder ganz erlassen werden. Und man gewinnt Zeit. Denn wenn ich mich einmal eingelesen habe und zum Beispiel weiß, wie ich einen Wohnsitzwechsel beantrage, kann ich das zukünftig mit zwei Klicks machen.
Ergeben sich durch die App Nachteile für Bürgerinnen und Bürger?
Der größte Nachteil ist, dass manche Personengruppen ausgeschlossen werden. Das heißt, wenn ich kein Smartphone besitze oder mit solchen Themen nicht vertraut bin, ist es ein durchaus komplexer Vorgang, wie ich zu dieser App komme und sie dann auch nutze. Da gibt es schon ein bisschen Lernbedarf – und vor allem Lehrbedarf. Das bedeutet, dass man jene Personengruppen abholen muss, die möglicherweise Unterstützung benötigen.
Wie kann man diese Personengruppen unterstützen?
Es heißt ja oft, dass sich speziell ältere Generationen mit solchen Apps schwertun. Das ist ein bisschen die Gefahr, dass man dabei sofort eine bestimmte Zielgruppe im Kopf hat, wie zum Beispiel Personen in der nachberuflichen Lebensphase. Das stimmt aber oft nicht mehr. Man unterschätzt, wie digitalaffin viele von ihnen sind. Tatsächlich betrifft es alle Personenschichten in ganz Österreich.
Das fängt bei jungen Erwachsenen an und hört dann eben bei den Seniorinnen und Senioren auf. Deshalb ist es wichtig, gesamtgesellschaftlich hinzuschauen. Es gibt zum Beispiel für Personen in der nachberuflichen Lebensphase Weiterbildungsangebote und Plattformen wie www.digitaleseniorinnen.at, über die man erfährt, wo man Trainerinnen und Trainer findet oder wie man zu gut aufbereiteten Informationen kommt. Aber auch die Arbeiterkammern bieten regelmäßig kostenlose Webinare zu diversen Digitalthemen an. Auf www.oesterreich.gv.at/id-austria gibt es eine Schritt-für Schritt-Anleitung, wie man sich bei der App „Digitales Amt“ mit der ID Austria anmeldet.
Welche Herausforderungen bringt die digitale Welt noch mit sich?
Eine der größten Herausforderungen ist, aus Sicht der Behörde betrachtet, dass man die Menschen dazu motiviert, die App zu nutzen, und dass man gut vorbereitet ist. Denn sobald man diese App präsentiert, muss sie auch funktionieren, weil die Frustrationsgrenze vieler Menschen vor allem in der jetzigen Zeit sehr niedrig ist. Wenn es nicht gleich beim ersten Mal klappt, habe ich möglicherweise noch eine zweite Chance, wahrscheinlich habe ich aber schon einen Großteil der Leute verloren. Umgekehrt gilt aber auch der Appell an alle, die die App nutzen möchten, nicht zu erwarten, dass alles sofort zu 100 Prozent funktioniert.
Das wäre unfair gegenüber jedem, der so etwas programmiert. Man sollte sich stattdessen mit der App auseinandersetzen und sich sagen: Wenn es nicht funktioniert, werfe ich das Handy nicht gleich aus dem Fenster, sondern lege es vielleicht kurz weg und probiere es am nächsten Tag noch einmal. Und wenn es dann nicht klappt, weiß ich, an welche Informationsstellen, von denen es in Zukunft bestimmt einige geben wird, ich mich wenden kann.
Was ist in näherer Zukunft noch zu erwarten?
Die größte Entwicklung wird bestimmt die ID Austria sein, die mit der App „Digitales Amt“ einhergeht. Sie ist eine Weiterentwicklung von Bürgerkarte und Handysignatur und wird es Menschen ermöglichen, sich digital zu identifizieren – und das in ganz Europa. In fünf bis zehn Jahren werden wir vielleicht nur noch unser Smartphone einpacken müssen, wenn wir reisen. Denn dann ist möglicherweise auch unser Reisepass darauf gespeichert. Das hat natürlich Vor- und Nachteile, ganz klar, darüber kann man diskutieren. Ich sehe aber einen großen Vorteil darin, dass man die Möglichkeit hat, sehr viel über das Smartphone zu machen, und dieses sozusagen in den Mittelpunkt seiner digitalen Identität stellt. Man hat ja am Grünen Pass bereits gesehen, dass der Datenaustausch innerhalb Europas funktioniert.
In Zukunft wird sich also noch viel mehr in der digitalen Welt abspielen. Was braucht es, um sich darin
sicher bewegen zu können?
Es wird wichtig sein, das Smartphone wie eine Brieftasche zu bewerten und dementsprechend abzusichern. Wenn ich zum Beispiel aktuell eine PIN habe, die 1111 lautet, dann wäre es jetzt an der Zeit, mir eine sicherere PIN zu überlegen beziehungsweise die Gesichtserkennung oder den Fingerprint zu aktivieren.
Verlieren sollte man das Smartphone künftig also nicht, oder?
Das stimmt, und die Frage, wie wir damit umgehen, dass alles auf einem Smartphone gespeichert ist, wird uns begleiten. Man wird sich Gedanken darüber machen müssen, ob man die Möglichkeit eines (Offine-)Backups hat oder wie man zu Daten kommt, wenn man sein Smartphone nicht mithat, aber das wäre einen eigenen Artikel wert.
Foto: Franziska Lieh