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Guter Journalismus muss sich lohnen

Von Clemens Stachel.

Immer mehr Journalistinnen und Journalisten verbreiten ihre Texte, Videos und Podcasts via Social Media. Wie verdienen sie dort ihr Geld? Und haben die „Kleinen“ gegen große Medienhäuser überhaupt eine Chance?

Das Berufsbild der Journalistin und des Journalisten hat sich seit dem Aufstieg der sozialen Medien stark gewandelt. Die Ausspielkanäle und Formate für journalistische Inhalte sind vielfältiger geworden. Gab es früher – vereinfacht gesagt – bloß Zeitung, Radio und TV, findet man professionell produzierten und teilweise hochwertigen Journalismus heute genauso auf Instagram, YouTube oder TikTok. Neben großen Medienhäusern bringen auch immer mehr kleine innovative Medien-Start-ups und unabhängige freie Journalistinnen und Journalisten ihre Werke auf Social Media unter die Leute.

Gleichzeitig hat die Digitalisierung aber auch die Geschäftsmodelle der „alten“ Medien ordentlich durcheinandergewirbelt. Die klassische Finanzierung von Journalismus über den Verkauf eines Medienprodukts und über Werbeanzeigen steckt in der Krise: Erstens wollen weniger Menschen als früher für ihren täglichen Medienkonsum bezahlen, und zweitens zwacken Google und Facebook einen immer größer werdenden Teil des Online-Werbekuchens ab. Es stellt sich also die Frage: Wie finanziert sich der Journalismus auf Social Media? Wie verdienen journalistische Content Creators ihr Geld? Welche Zukunft haben neue Geschäftsmodelle? „Zunächst müssen wir auseinanderhalten zwischen Medienunternehmen und freien Journalistinnen und Journalisten, die auf Social Media als Einzelpersonen auftreten“, sagt Jelena Pantić-Panić. Die Wiener Journalistin hat selbst als „Freie“ viel Erfahrung gesammelt und bietet heute unter der Marke „medien.geil“ Mentorings für junge Kolleginnen und Kollegen an.

„Freie Journalistinnen und Journalisten nützen Social Media, um sich zu präsentieren. So wird etwa deine Instagram-Seite zu deiner persönlichen Visitenkarte, sie wird Teil deines personal brandings. Ich selbst bekomme mittlerweile hundert Prozent meiner Aufträge über meine Instagram-Präsenz.“ Man könne sich also auf Social Media als prägnante journalistische Stimme mit beeindruckender Followerzahl präsentieren, erklärt Pantić-Panić, sein Geld verdiene man dann meist aber doch „über die klassischen Medien“ – indem man etwa von einer Zeitung den Auftrag erhält, einen Artikel zu schreiben.

WER WILL WOFÜR BEZAHLEN?

Erst in den letzten paar Jahren hat sich auch die direkte Bezahlung von Content Creators durch die Konsumentinnen und Konsumenten im großen Stil durchgesetzt. Unabhängige deutschsprachige Journalistinnen und Journalisten haben vor allem in der Plattform Steady einen neuen „Anlegehafen“ gefunden: Hier können sie unkompliziert Abonnements für ihre regelmäßig erscheinenden Arbeiten verkaufen, also etwa für ihre Podcasts, E-Mail-Newsletter, YouTube-Videos oder Instagram-Inhalte. Die sozialen Medien dienen dann als Ausspielkanäle des journalistischen Werks oder einfach „nur“ als Werbefenster zum eigentlichen Medienprodukt, das man ganz woanders erhält. „Der Trend geht eindeutig in Richtung Abos und Pauschalangebote, was unabhängigen Journalismus betrifft“, sagt Jelena Pantić-Panić. „Pay-per-Click- oder Pay-per-Article-Modelle haben sich einfach nie so richtig durchgesetzt.

„Ein Medium, das überwiegend auf Abos setzt statt auf Werbung, ist unabhängiger und hat auch eine größere Planungssicherheit.“

Womit wir bei einem Grundproblem wären: bei der Bereitschaft des Publikums, überhaupt für Journalismus zu bezahlen. „Die ‚Kostenlos Kultur‘ des Internets war aus Sicht des seriösen Journalismus zunächst eine schlechte Entwicklung“, sagt Michael Graßl, Kommunikationswissenschaftler an der Katholischen Universität Eichstätt Ingolstadt in Deutschland. Erst langsam setze sich bei der jüngeren Generation von Medienkonsumentinnen und -konsumenten wieder ein Verständnis dafür durch, dass Qualität im Journalismus nun einmal etwas koste. „Eine medienübergreifende Bezahlplattform, also eine Art ‚Netflix für Journalismus‘, könnte hierfür eine gute Lösung darstellen.“ Noch gibt es eine derartige Plattform im deutschsprachigen Raum jedoch nicht. Das junge Publikum gehe deshalb verstärkt dazu über, „seine“ Journalistinnen und Journalisten direkt zu bezahlen, so Graßl, der Journalismus auf Social Media schon seit Jahren wissenschaftlich erforscht: „Die Entwicklung, die etwa hinter Steady steckt, ist sehr spannend: Ich abonniere genau den Journalismus, der ‚mein‘ Thema behandelt, und kofinanziere so ein kleines Medium oder manchmal sogar nur eine einzelne Journalistin. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob dieser Trend den Medienmarkt wirklich in der Breite mitbestimmen kann oder ein Nischenphänomen bleibt.“

So wie sich beim jungen Publikum eine neue Zahlungsbereitschaft breitmache, stellt Michael Graßl fest, gehöre heute auch das Verkaufen und Distribuieren immer selbstverständlicher zum journalistischen Berufsbild. „Der Werkzeugkasten von Kompetenzen, den wir an der Uni angehenden Journalistinnen und Journalisten vermitteln, hat sich in den letzten fünf Jahren stark verändert. Sich selbst und seine Arbeit unentwegt ‚verkaufen‘ zu müssen – das haben die Jüngeren in diesem Feld heutzutage fast schon im Blut.“

DIE BIG-TECH-ZWICKMÜHLE

„Man muss bei der Finanzierung immer wieder auf das sich verändernde Umfeld reagieren“, sagt auch Fritz Jergitsch, Mastermind hinter dem Satireportal „Die Tagespresse“. „Seit dem Start unseres Projekts vor neun Jahren haben wir bereits zweimal unser Geschäftsmodell komplett umgekrempelt – ganz einfach, weil sich die Nutzergewohnheiten im Netz so schnell verändern.“ Jergitsch betreibt zwar kein echtes journalistisches Medium, die Social-Media-Mechanismen von Distribution und Aufmerksamkeit gelten für ihn jedoch genauso. „Das A und O des Geldverdienens über Social Media ist das Kultivieren einer eigenen Community“, sagt er. „Und dass der Content für diese Gruppe Relevanz hat.“ Vor fünf Jahren noch habe sich die „Tagespresse“ zur Gänze über Werbebanner auf der Website finanziert.

„Mittlerweile haben wir das umgedreht: 95 Prozent unseres Umsatzes machen wir durch direkte Leser-Abos. Der Rest kommt aus Merchandising und ein bisschen Werbung.“ Dies sei für Jergitsch „das eleganteste Modell der Finanzierung von Journalismus“ – weil man als überwiegend leserfinanziertes Medium wirklich unabhängig sei und auch eine größere Planungssicherheit habe. Die sozialen Medien als Hauptvertriebskanal zu nutzen, ist für ihn ein zweischneidiges Schwert: „Einerseits gilt: Entweder du bist als Medium auf Social Media oder du bist irrelevant. Andererseits liefert man sich dort den Algorithmen der Tech-Giganten aus. Wir haben das im Herbst 2022 selbst erlebt, als wir auf Facebook über Nacht 90 Prozent unserer Reichweite verloren haben. Es war wohl die Folge irgendeines neuen Filters, der politische Inhalte benachteiligte.“ „Algorithmen nerven sehr“, pflichtet Jelena PantićPanić bei. Bei jedem Text müsse man überlegen: „Formuliere ich ihn genau so, wie ich es als Journalistin will, oder ändere ich ihn auf eine ‚suchmaschinenoptimierte‘ Art und Weise ab, damit er eher gefunden wird?“

Diese Beschäftigung könne lästig sein, gibt sie zu, zwinge Medienschaffende aber auch dazu, immer wieder neue spannende Formate für verschiedenste Social Media-Plattformen zu entwickeln. Beim Thema Werbung auf Social Media wird Pantić-Panić skeptisch: „Für freie Journalistinnen und Journalisten ist Werbung als Einnahmequelle immer tricky. Wenn du beispielsweise für ein Unternehmen ein Advertorial-Video produzierst und auf deinem Instagram-Channel ausspielst, dann färbt das doch sehr stark auf dein Image ab. Ein Medium hingegen kann sich so etwas eher leisten, ohne gleich seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel zu setzen.“ In die Zukunft blickend kann sich Medienforscher Michael Graßl vorstellen, dass auch und gerade öffentlich-rechtlicher Journalismus eine zunehmend wichtige Rolle auf Social Media einnehmen könnte. Das Geldverdienen mit Social-Media Content würde dann um eine weitere Ecke „indirekter“ funktionieren – und ein Medium, das sich auf Social Media nicht extra um Finanzierung kümmern muss, „könnte auch umso besser kritischen Journalismus mit  Orientierungsfunktion produzieren“, so Graßl. „Soziale Medien funktionieren ja so, dass man sie ungern verlässt. Medien, die ihre journalistischen Werke direkt im Kanal ausspielen können und keine ‚Werbeeinschaltungen‘ brauchen, sind langfristig wahrscheinlich im Vorteil.“

WO JOURNALISTINNEN UND JOURNALISTEN SICH PRÄSENTIEREN UND GELD VERDIENEN

STEADY
Ursprünglich deutsche Plattform, auf der Medienschaffende sehr einfach Abonnements für ihre Projekte verkaufen können. Zehn Prozent jeder Abogebühr geht an Steady. Wird jetzt auch in ganz Europa populär.
steadyhq.com

SUBSTACK
Besonders in den USA verbreitete Plattform, über die Journalistinnen und Journalisten E-Mail-Newsletter und andere Inhalte via Bezahlabo aussenden können. Zehn Prozent der Abogebühr bleibt bei Substack. Geriet in die Kritik, weil auch Inhalte mit Desinformation – etwa zur Covid Pandemie – nicht eingeschränkt werden. substack.com

PATREON
Eine der ersten und in der gesamten Kreativbranche noch immer populärsten US-amerikanischen SocialPayment-Plattformen. Auch hier werden rund zehn Prozent jeder Abozahlung als „Provision“ einbehalten. patreon.com

TORIAL
Eine kostenlose deutschsprachige Plattform für Journalistinnen und Journalisten, um Portfolios mit ihren besten Werken zu gestalten und sich untereinander zu vernetzen.
torial.com

PAYPAL UND ANDERE
Online-Bezahlservices können auch für unabhängige Medienschaffende ein relevanter Bestandteil der Monetarisierung sein.
paypal.com