Berichterstattung, die nicht den eigenen Überzeugungen und Ansichten entspricht, wird von vielen Menschen als schlechter Journalismus empfunden. Das sagt Christian Swertz, Professor für Medienpädagogik am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien. Um junge Menschen mit Medienprodukten zu erreichen, führe kein Weg an Online vorbei.
Im Internet begegnet man Publikationen hoher journalistischer Qualität ebenso wie Clickbait, also Inhalten, die vor allem möglichst viel Interaktion generieren sollen: Anhand welcher Merkmale erkennt man Qualitätsjournalismus?
George Orwell hat einmal notiert, dass alle Propaganda lügt, auch wenn jemand die Wahrheit sagt. Journalistinnen und Journalisten glauben oft, Wahrheiten zu liefern, produzieren aber Propaganda. Das kann durch eine Beobachtung des Linguisten Noam Chomsky erklärt werden: Medienunternehmerinnen und -unternehmer stellen gerne Leute ein, deren politische, ökonomische und religiöse Auffassungen mit ihren eigenen übereinstimmen. Der so produzierte „Qualitätsjournalismus“ ist in Warheit Propaganda für die Unternehmen.
Was zeichnet Qualitätsjournalismus aus?
Jeder Mensch hält das für guten Journalismus, was seinem Geschmack entspricht. Bürgerlich kapitalistisch gesinnte Menschen werden als Marktsegment von Journalistinnen und Journalisten mit ähnlichem Geschmack adressiert und halten das für gute Praxis.
Produkte, die sich an Menschen mit national-faschistischem, proletarisch-kommunistischem oder prekär-anarchistischem Geschmack wenden, werden dann als schlechte Praxis begriffen. Da das umgekehrt genauso gilt, besteht innerhalb der jeweiligen Gruppe Konsens darüber, dass Journalismus, der für andere Marktsegmente produziert wird, schlecht sei.
Welche Rolle spielt Qualitätsjournalismus, wenn Desinformation, Filterblasen und Algorithmen immer mehr Raum einnehmen? Ist er aktuell notwendiger denn je?
Qualitätsjournalismus ist eine Filterblase. Das Wort wird im Marketing für Menschen mit bürgerlich-kapitalistischer Einstellung verwendet, und um den Geschmack dieses Marktsegments zu treffen, führen Journalistinnen und Journalisten Filteralgorithmen aus. Explizite Filterkriterien finden sich in Redaktionsstatuten und Geschäftsbedingungen von Medienunternehmen, während implizite Kriterien in der Nachrichtenwerttheorie beschrieben werden. Ein Beispiel für letztere ist der „Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten“-Filter: Schlechte Nachrichten haben einen höheren Verkaufswert als gute. Diese Filter zu kennen ist aktuell wichtiger denn je.
Wie lassen sich Informationen in einem journalistischen Beitrag verifizieren und falsifizieren?
Entscheidend ist, sich gewisser Medienrealitäten bewusst zu sein. Gut etablierte Möglichkeiten zur Untersuchung von Medienrealitäten sind ideologiekritische Analysen und Diskursanalysen. In den Blick genommen werden dabei die mit einer bestimmten Information verbundenen Interessen. Wenn klar ist, ob mit einer Information wissenschaftliche, journalistische, politische, ökonomische oder religiöse Interessen zum Ausdruck gebracht werden, kann sie besser eingeschätzt werden. Das ist nicht immer einfach – ein journalistischer Bericht über eine wissenschaftliche Information ist eben keine wissenschaftliche Information, sondern eine journalistische. Meist genügt es aber schon, sich zunächst zu fragen, wer was zu wem durch welchen Kanal zu welchem Zweck gesagt hat. Medienkonsumentinnen und -konsumenten können nur durch eigenes Denken zu einer Einschätzung gelangen.
“Journalistinnen und Journalisten glauben oft, Wahrheiten zu liefern, produzieren aber Propaganda.“
Wie kann Journalismus eine junge Zielgruppe erreichen, die sich vor allem online informiert?
Menschen, die sich primär im Internet informieren, lassen sich klarer Weise am besten über Onlineberichterstattung erreichen. Um dabei Profit zu machen, muss man genau wie konventionelle Medien Marktsegmente in einer Weise adressieren, dass Aufmerksamkeit entsteht, die dann monetarisiert werden kann. Das gelingt umso besser, je mehr den Erwartungen des jeweiligen Zielpublikums und der Struktur des Mediums entsprochen wird:
Für einen Dienst wie Mastodon Reportagen zu schreiben, ist also völlig sinnlos.
Qualitätsjournalismus in sozialen Medien: Nicht mehr als ein frommer Wunsch?
Soziale Medien gehören wie Zeitungen oder Fernseh- und Radiosender in der Regel großen Unternehmen. Ob die „Qualität“ mittels Auflagenhöhe, Einschaltquote oder Klickrate gemessen wird, macht kaum einen Unterschied.
Ist es aktuell so, dass die „fünfte Gewalt“ Internet wesentliche Teile der „vierten Gewalt“ Medien zerstört oder untergräbt?
In parlamentarischen Regierungssystemen werden meistens Exekutive, Judikative und Legislative funktional unterschieden. Diesem
Prinzip der Gewaltenteilung folgt auch die österreichische Verfassung. Es gibt aber Journalistinnen und Journalisten, die es für eine Wahrheit halten, dass sie die „vierte Gewalt“ im Staat repräsentieren. Dass eine staatliche Gewalt durch den
Souverän, also das Volk, in freier, geheimer und gleicher Wahl legitimiert sein muss, wird dabei aber nicht erwähnt.
Das Gespräch führte fit4internet.
Von Clemens Stachel.
Immer mehr Journalistinnen und Journalisten verbreiten ihre Texte, Videos und Podcasts via Social Media. Wie verdienen sie dort ihr Geld? Und haben die „Kleinen“ gegen große Medienhäuser überhaupt eine Chance?
Das Berufsbild der Journalistin und des Journalisten hat sich seit dem Aufstieg der sozialen Medien stark gewandelt. Die Ausspielkanäle und Formate für journalistische Inhalte sind vielfältiger geworden. Gab es früher – vereinfacht gesagt – bloß Zeitung, Radio und TV, findet man professionell produzierten und teilweise hochwertigen Journalismus heute genauso auf Instagram, YouTube oder TikTok. Neben großen Medienhäusern bringen auch immer mehr kleine innovative Medien-Start-ups und unabhängige freie Journalistinnen und Journalisten ihre Werke auf Social Media unter die Leute.
Gleichzeitig hat die Digitalisierung aber auch die Geschäftsmodelle der „alten“ Medien ordentlich durcheinandergewirbelt. Die klassische Finanzierung von Journalismus über den Verkauf eines Medienprodukts und über Werbeanzeigen steckt in der Krise: Erstens wollen weniger Menschen als früher für ihren täglichen Medienkonsum bezahlen, und zweitens zwacken Google und Facebook einen immer größer werdenden Teil des Online-Werbekuchens ab. Es stellt sich also die Frage: Wie finanziert sich der Journalismus auf Social Media? Wie verdienen journalistische Content Creators ihr Geld? Welche Zukunft haben neue Geschäftsmodelle? „Zunächst müssen wir auseinanderhalten zwischen Medienunternehmen und freien Journalistinnen und Journalisten, die auf Social Media als Einzelpersonen auftreten“, sagt Jelena Pantić-Panić. Die Wiener Journalistin hat selbst als „Freie“ viel Erfahrung gesammelt und bietet heute unter der Marke „medien.geil“ Mentorings für junge Kolleginnen und Kollegen an.
„Freie Journalistinnen und Journalisten nützen Social Media, um sich zu präsentieren. So wird etwa deine Instagram-Seite zu deiner persönlichen Visitenkarte, sie wird Teil deines personal brandings. Ich selbst bekomme mittlerweile hundert Prozent meiner Aufträge über meine Instagram-Präsenz.“ Man könne sich also auf Social Media als prägnante journalistische Stimme mit beeindruckender Followerzahl präsentieren, erklärt Pantić-Panić, sein Geld verdiene man dann meist aber doch „über die klassischen Medien“ – indem man etwa von einer Zeitung den Auftrag erhält, einen Artikel zu schreiben.
WER WILL WOFÜR BEZAHLEN?
Erst in den letzten paar Jahren hat sich auch die direkte Bezahlung von Content Creators durch die Konsumentinnen und Konsumenten im großen Stil durchgesetzt. Unabhängige deutschsprachige Journalistinnen und Journalisten haben vor allem in der Plattform Steady einen neuen „Anlegehafen“ gefunden: Hier können sie unkompliziert Abonnements für ihre regelmäßig erscheinenden Arbeiten verkaufen, also etwa für ihre Podcasts, E-Mail-Newsletter, YouTube-Videos oder Instagram-Inhalte. Die sozialen Medien dienen dann als Ausspielkanäle des journalistischen Werks oder einfach „nur“ als Werbefenster zum eigentlichen Medienprodukt, das man ganz woanders erhält. „Der Trend geht eindeutig in Richtung Abos und Pauschalangebote, was unabhängigen Journalismus betrifft“, sagt Jelena Pantić-Panić. „Pay-per-Click- oder Pay-per-Article-Modelle haben sich einfach nie so richtig durchgesetzt.
„Ein Medium, das überwiegend auf Abos setzt statt auf Werbung, ist unabhängiger und hat auch eine größere Planungssicherheit.“
Womit wir bei einem Grundproblem wären: bei der Bereitschaft des Publikums, überhaupt für Journalismus zu bezahlen. „Die ‚Kostenlos Kultur‘ des Internets war aus Sicht des seriösen Journalismus zunächst eine schlechte Entwicklung“, sagt Michael Graßl, Kommunikationswissenschaftler an der Katholischen Universität Eichstätt Ingolstadt in Deutschland. Erst langsam setze sich bei der jüngeren Generation von Medienkonsumentinnen und -konsumenten wieder ein Verständnis dafür durch, dass Qualität im Journalismus nun einmal etwas koste. „Eine medienübergreifende Bezahlplattform, also eine Art ‚Netflix für Journalismus‘, könnte hierfür eine gute Lösung darstellen.“ Noch gibt es eine derartige Plattform im deutschsprachigen Raum jedoch nicht. Das junge Publikum gehe deshalb verstärkt dazu über, „seine“ Journalistinnen und Journalisten direkt zu bezahlen, so Graßl, der Journalismus auf Social Media schon seit Jahren wissenschaftlich erforscht: „Die Entwicklung, die etwa hinter Steady steckt, ist sehr spannend: Ich abonniere genau den Journalismus, der ‚mein‘ Thema behandelt, und kofinanziere so ein kleines Medium oder manchmal sogar nur eine einzelne Journalistin. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob dieser Trend den Medienmarkt wirklich in der Breite mitbestimmen kann oder ein Nischenphänomen bleibt.“
So wie sich beim jungen Publikum eine neue Zahlungsbereitschaft breitmache, stellt Michael Graßl fest, gehöre heute auch das Verkaufen und Distribuieren immer selbstverständlicher zum journalistischen Berufsbild. „Der Werkzeugkasten von Kompetenzen, den wir an der Uni angehenden Journalistinnen und Journalisten vermitteln, hat sich in den letzten fünf Jahren stark verändert. Sich selbst und seine Arbeit unentwegt ‚verkaufen‘ zu müssen – das haben die Jüngeren in diesem Feld heutzutage fast schon im Blut.“
DIE BIG-TECH-ZWICKMÜHLE
„Man muss bei der Finanzierung immer wieder auf das sich verändernde Umfeld reagieren“, sagt auch Fritz Jergitsch, Mastermind hinter dem Satireportal „Die Tagespresse“. „Seit dem Start unseres Projekts vor neun Jahren haben wir bereits zweimal unser Geschäftsmodell komplett umgekrempelt – ganz einfach, weil sich die Nutzergewohnheiten im Netz so schnell verändern.“ Jergitsch betreibt zwar kein echtes journalistisches Medium, die Social-Media-Mechanismen von Distribution und Aufmerksamkeit gelten für ihn jedoch genauso. „Das A und O des Geldverdienens über Social Media ist das Kultivieren einer eigenen Community“, sagt er. „Und dass der Content für diese Gruppe Relevanz hat.“ Vor fünf Jahren noch habe sich die „Tagespresse“ zur Gänze über Werbebanner auf der Website finanziert.
„Mittlerweile haben wir das umgedreht: 95 Prozent unseres Umsatzes machen wir durch direkte Leser-Abos. Der Rest kommt aus Merchandising und ein bisschen Werbung.“ Dies sei für Jergitsch „das eleganteste Modell der Finanzierung von Journalismus“ – weil man als überwiegend leserfinanziertes Medium wirklich unabhängig sei und auch eine größere Planungssicherheit habe. Die sozialen Medien als Hauptvertriebskanal zu nutzen, ist für ihn ein zweischneidiges Schwert: „Einerseits gilt: Entweder du bist als Medium auf Social Media oder du bist irrelevant. Andererseits liefert man sich dort den Algorithmen der Tech-Giganten aus. Wir haben das im Herbst 2022 selbst erlebt, als wir auf Facebook über Nacht 90 Prozent unserer Reichweite verloren haben. Es war wohl die Folge irgendeines neuen Filters, der politische Inhalte benachteiligte.“ „Algorithmen nerven sehr“, pflichtet Jelena PantićPanić bei. Bei jedem Text müsse man überlegen: „Formuliere ich ihn genau so, wie ich es als Journalistin will, oder ändere ich ihn auf eine ‚suchmaschinenoptimierte‘ Art und Weise ab, damit er eher gefunden wird?“
Diese Beschäftigung könne lästig sein, gibt sie zu, zwinge Medienschaffende aber auch dazu, immer wieder neue spannende Formate für verschiedenste Social Media-Plattformen zu entwickeln. Beim Thema Werbung auf Social Media wird Pantić-Panić skeptisch: „Für freie Journalistinnen und Journalisten ist Werbung als Einnahmequelle immer tricky. Wenn du beispielsweise für ein Unternehmen ein Advertorial-Video produzierst und auf deinem Instagram-Channel ausspielst, dann färbt das doch sehr stark auf dein Image ab. Ein Medium hingegen kann sich so etwas eher leisten, ohne gleich seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel zu setzen.“ In die Zukunft blickend kann sich Medienforscher Michael Graßl vorstellen, dass auch und gerade öffentlich-rechtlicher Journalismus eine zunehmend wichtige Rolle auf Social Media einnehmen könnte. Das Geldverdienen mit Social-Media Content würde dann um eine weitere Ecke „indirekter“ funktionieren – und ein Medium, das sich auf Social Media nicht extra um Finanzierung kümmern muss, „könnte auch umso besser kritischen Journalismus mit Orientierungsfunktion produzieren“, so Graßl. „Soziale Medien funktionieren ja so, dass man sie ungern verlässt. Medien, die ihre journalistischen Werke direkt im Kanal ausspielen können und keine ‚Werbeeinschaltungen‘ brauchen, sind langfristig wahrscheinlich im Vorteil.“
WO JOURNALISTINNEN UND JOURNALISTEN SICH PRÄSENTIEREN UND GELD VERDIENEN
STEADY
Ursprünglich deutsche Plattform, auf der Medienschaffende sehr einfach Abonnements für ihre Projekte verkaufen können. Zehn Prozent jeder Abogebühr geht an Steady. Wird jetzt auch in ganz Europa populär.
steadyhq.com
SUBSTACK
Besonders in den USA verbreitete Plattform, über die Journalistinnen und Journalisten E-Mail-Newsletter und andere Inhalte via Bezahlabo aussenden können. Zehn Prozent der Abogebühr bleibt bei Substack. Geriet in die Kritik, weil auch Inhalte mit Desinformation – etwa zur Covid Pandemie – nicht eingeschränkt werden. substack.com
PATREON
Eine der ersten und in der gesamten Kreativbranche noch immer populärsten US-amerikanischen SocialPayment-Plattformen. Auch hier werden rund zehn Prozent jeder Abozahlung als „Provision“ einbehalten. patreon.com
TORIAL
Eine kostenlose deutschsprachige Plattform für Journalistinnen und Journalisten, um Portfolios mit ihren besten Werken zu gestalten und sich untereinander zu vernetzen.
torial.com
PAYPAL UND ANDERE
Online-Bezahlservices können auch für unabhängige Medienschaffende ein relevanter Bestandteil der Monetarisierung sein.
paypal.com
Von Raimund Lang.
Qualitätsjournalismus gilt als die hohe Schule der Informationsvermittlung. Doch seine Reputation steht permanent auf dem Prüfstand.
Eine Gesellschaft ohne Journalismus ist etwa genauso wenig vorstellbar wie eine Gesellschaft ohne Informationsbedarf. Schließlich ist die historisch erste und bis heute dominierende Aufgabe des Journalismus, Menschen zu informieren. Seit der Aufklärung und ganz besonders in modernen Demokratien erhielt die Vermittlung journalistischer Inhalte auch eine politische Dimension: Mündige Bürgerinnen und Bürger sollten in der Lage sein, aus Fakten eine begründete Meinung zu entwickeln, um ihre Rolle als Wählerinnen und Wähler verantwortungsvoll zu erfüllen. Dabei half und hilft ihnen der Journalismus, der dafür auch kritisch auf die Mächtigen dieser Welt sieht und nicht zuletzt deshalb oft als „vierte Säule der Demokratie“ bezeichnet wird.
Je nach Interessenlage, Geschmack und Anspruch des Publikums werden Journalistinnen und Journalisten für die Erfüllung dieser Aufgaben geliebt oder gehasst, gelobt oder gescholten, bekommen Qualität zu- oder abgesprochen. Qualität ist die inoffizielle Währung bei der Beurteilung journalistischen Publizierens. Eng damit verbunden ist die geläufige, wenn auch nicht völlig trennscharfe Unterscheidung zwischen Qualitätsmedien auf der einen Seite – und allen übrigen auf der anderen. Erstere sind diesem Verständnis zufolge solche, in denen zumindest mehrheitlich Qualitätsjournalismus produziert wird. Doch was ist das überhaupt, Qualitätsjournalismus?
BEKANNTE STANDARDS
An dieser Frage beißt sich die Fachwelt seit geraumer Zeit die Zähne aus. Der Medienwissenschaftler Stephan Ruß-Mohl hat dafür ein viel zitiertes Bonmot geprägt: Qualitätsjournalismus definieren zu wollen gleiche dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln. Auch wenn eine allgemein akzeptierte Definition außer Reichweite scheint, lasse sich der Qualitätsbegriff im Journalismus doch auf mehreren Ebenen untersuchen, so die österreichische Wissenschaftlerin Larissa Krainer, außerordentliche Professorin für Medien- und Kommunikationswissenschaften an der Universität Klagenfurt. Da wäre etwa der Rechercheprozess: „Es gibt bekannte Standards für die Recherche, wie Gründlichkeit, Ausgewogenheit oder Objektivität“, sagt Krainer.
Bekannt ist auch die Regel „Check, recheck, double-check“, die verlangt, jede Information vor der Veröffentlichung zweimal zu prüfen. Zudem will der Beruf der Journalistin oder des Journalisten auch gelernt sein: „Man muss nicht unbedingt eine formale Journalismus-Ausbildung machen, aber man sollte zumindest einen Qualifikationsprozess in einer Redaktion durchlaufen“, so Krainer. Auch ein Blick auf das Medium selbst offenbare oft, wie es um dessen Qualität bestellt sei: „Existiert ein Redaktionsstatut? Gibt es interne Leitlinien für ethischen Journalismus? Ist das Medium Mitglied beim Presserat?“ Lassen sich Fragen wie diese mit Ja beantworten, deutet das laut Krainer auf Qualität hin. In Österreich existiert außerdem seit 1971 ein „Ehrenkodex für die österreichische Presse“, der in der aktuellen Fassung zwölf Grundsätze guter journalistischer Arbeit definiert, von denen jeder durch mehrere ethische Regeln genauer spezifiziert ist. Die Prinzipien betreffen die Themen Freiheit, Genauigkeit, Unterscheidbarkeit von bloßer Meinung, Einflussnahmen, Persönlichkeitsschutz, Intimsphäre, Schutz vor Pauschalverunglimpfungen und Diskriminierung, Materialbeschaffung, redaktionelle Spezialbereiche, öffentliches Interesse, Interessen von Medienmitarbeiterinnen und -mitarbeitern sowie Suizidberichterstattung. Die Einhaltung der Regeln ist freiwillig.
Wenn ein Medium sich den Bestimmungen des Ehrenkodex unterwirft, kennzeichnet es dies durch einen entsprechenden Hinweis im Impressum. Auf einer weiteren Betrachtungsebene lassen sich die journalistischen Inhalte sowie deren gestalterische Aufbereitung mittels Schreibstil, Layout oder Fotos analysieren. Hier spielt zwar subjektives Empfinden eine vergleichsweise große Rolle; ob in einer Publikation etwa auf korrekte Grammatik Rücksicht genommen wird, kann aber durchaus als objektives Qualitätskriterium gelten. Gutes Deutsch ist nicht gänzlich eine Angelegenheit subjektiven Empfindens, wie der kürzlich verstorbene Journalist und „Sprachpapst“ Wolf Schneider in unzähligen Büchern dargelegt hat. Wenn journalistische Tätigkeit in die Kritik gerät, dann häufig wegen mangelnder Distanz. Einerseits gegenüber denen, über die berichtet wird (allen voran Personen aus der Politik sowie Unternehmen); andererseits auch gegenüber denen, die zur Finanzierung des jeweiligen Mediums beitragen, also Werbekunden.
DAUERTHEMA ERLÖSE
Dass Medien zu einem Gutteil vom Anzeigengeschäft leben, sorgt für eine latente Gefahr der externen Einflussnahme, der sich weder öffentlich-rechtliche noch privatwirtschaftlich organisierte Medien gänzlich entziehen können. Das Sprichwort „Wer zahlt, schafft an“ schwebt wie ein Damoklesschwert über der medialen Unabhängigkeit. „Redaktionsstatuten wurden ja auch deshalb erfunden, um diesen Widerspruch aufzulösen“, gibt Larissa Krainer zu bedenken. Außerdem: „Freie Radios zeigen, wie man sehr wohl unabhängig bleiben kann.“ Finanzielle Unabhängigkeit könnte die Lösung sein, meint die Expertin: „Die Entwicklung wird langsam in Richtung bezahlter Online-Content gehen.“
Als Totengräber des Qualitätsjournalismus werden immer wieder die sozialen Medien gehandelt. Vor allem junge Menschen gelten heute als kaum erreichbare Zielgruppe. Eine Einschätzung, der Larissa Krainer nicht zustimmt. „Junge Menschen interessieren sich durchaus für den Unterschied zwischen Fake News und Wahrheit“, ist sie überzeugt. „Auch in Schulen wird das stark thematisiert.“ Sie empfiehlt klassischen Medien, auf Social-Media-Kanälen Präsenz zu zeigen.
Zwar könne die dort übliche Kürze der Beiträge ein Problem für die Arbeitsweise und Detailgenauigkeit herkömmlicher Qualitätsmedien sein. Andererseits biete das Bespielen sozialer Medien auch die Chance, die Jugend zu erreichen und deren Themen anzusprechen: „Man muss dorthin gehen, wo die jungen Menschen sind“, rät Krainer. Doch ist der Qualitätsjournalismus wirklich so siech, wie das zuweilen gerne behauptet wird? Manche Studien stellen diesen Befund zumindest infrage, andere scheinen ihn zu bestätigen.
„Es gibt bekannte Standards für Recherche, wie Gründlichkeit, Ausgewogenheit oder Objektivität.“
So zeigt die Österreich-Auswertung des aktuellen „Digital News Report“ des Reuters Institute einen beachtlichen Rückgang des Vertrauens in Nachrichten im Allgemeinen von 5,7 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Nur 40,6 Prozent der Befragten vertrauen Nachrichtenquellen. Österreich liegt damit unter dem globalen und auch unter dem EU-Durchschnitt, allerdings ist der Wert um fast einen Prozentpunkt höher als noch vor der Pandemie. Dieser Umstand passt zu dem Ergebnis einer Untersuchung der Wirtschaftskammer Wien, bei der 18- bis 25-Jährige zu ihrem Medienkonsum befragt wurden. Demnach hat während der Corona-Lockdowns eine Art von Rückbesinnung auf herkömmliche Medien und Qualitätsjournalismus stattgefunden. Insbesondere klassische Nachrichtenformate im öffentlich-rechtlichen Fernsehen erfreuen sich steigender Beliebtheit, gelten sie doch als besonders seriös. In Deutschland etwa sind laut dem Statistik-Portal Statista die „ARD Tagesschau“ und die ZDF-Nachrichtensendung „heute“ die vertrauenswürdigsten Nachrichtenquellen. Doch solche Befunde sind kein Grund, sich auszuruhen. Qualitätsjournalismus lebt von dem Vertrauen seiner Konsumentinnen und Konsumenten, dass die präsentierten Informationen korrekt, relevant und objektiv sind – und zwar immer. Vertrauen ist jedoch rascher verspielt als erworben. „Der Wert des Journalismus muss in der Gesellschaft wieder etabliert werden“, sagt Larissa Krainer. Dieses Ziel kann nur durch kontinuierliche Qualität erreicht werden.
Von Clemens Stachel.
Die Videoplattform TikTok hat die Welt im Sturm erobert. Die App öffnet ein Tor zur Jugendkultur. Viele Unternehmen und Medien ziehen jetzt nach und fragen sich: Wie erreicht man eine Zielgruppe, die am Smartphone zu Hause ist?
Die Welt der sozialen Medien dreht sich manchmal rasant wie ein Karussell: Was vor gerade einmal drei Jahren noch ein Nischenmedium für Teenager war, ist heute eine der mächtigsten Plattformen im Internet: TikTok. Über eine Milliarde Nutzerinnen und Nutzer hat TikTok heute weltweit – und liegt damit nur noch knapp hinter Instagram. Im Kampf der Social-Media Titanen führt Facebook mit 2,9 Milliarden Userinnen und Usern das Beliebtheitsranking noch immer deutlich an.
GETEILTE WOHNZIMMER
Was TikTok von anderen großen Netzwerken unterscheidet: Hier teilen die Nutzerinnen und Nutzer keine Texte, keine Fotos, keine Links zu Websites, sondern ausschließlich Videos – kurze Videos, um genau zu sein. Vom süßen Haustier-Clip zum hölzernen Tanzversuch im Wohnzimmer, vom halsbrecherischen Sportvideo zur Comedy-Einlage, vom Schminktipp-Video zum Reisebericht die Palette der hochgeladenen Videos ist so vielfältig wie das Leben selbst. Angesehen werden die oft nur wenige Sekunden kurzen und stets hochformatigen Clips idealerweise am Smartphone, nicht auf großen Computerbildschirmen. Die simple Handhabung – einfach nach oben wischen zum nächsten Video – trägt das ihre zum Suchtfaktor bei.
Darüber hinaus unterscheidet sich TikTok von seinen Konkurrenten durch seine Herkunft: Anders als Facebook, Instagram oder YouTube kommt es nicht aus den USA, sondern aus China. Dort wurde das Netzwerk im Jahr 2016 vom Unternehmen ByteDance unter dem Namen „Douyin“ vorgestellt. Ein Jahr später kam dann die internationale Version heraus: TikTok. Während des ersten Jahres der Corona-Pandemie startete TikTok so richtig durch: Allein im ersten Halbjahr 2020 wurde die App auf mehr als 500 Millionen Handys weltweit heruntergeladen – und zum Inbegriff einer globalisierten digitalen Jugendkultur. Mittlerweile ist TikTok im Alltag von Kindern und Jugendlichen allgegenwärtig: 70 Prozent der 11- bis 17-Jährigen in Österreich verwenden die App. Auch bei jungen Erwachsenen (18 bis 24 Jahre) wird die Plattform immer populärer – immerhin 47 Prozent dieser Altersgruppe haben die App auf ihrem Smartphone. Jenseits der 40 hingegen interessiert sich gerade mal jede und jeder Zehnte für diesen Landstrich der Social-Media-Welt. Kein Wunder also, dass TikTok als das Medium der „Generation Z“ bei vielen Unternehmen besonderes Interesse hervorruft. Denn wer seine Produkte und Dienstleistungen bei der wichtigen Zielgruppe der unter 30-Jährigen erfolgreich anpreisen möchte, muss sich zwangsläufig auch über eine Präsenz auf TikTok Gedanken machen.
„TikTok ist mittlerweile im Mainstream angekommen“, analysiert die Kommunikationsstrategin Ingrid Gogl die aktuelle Entwicklung. „Längst lassen sich nicht nur Teens, sondern auch viele 30- bis 40-Jährige gerne von TikTok unterhalten. Und da es in vielen Unternehmen Menschen dieser Altersgruppe sind, die sich um die Kommunikation kümmern, wagen sich nun auch immer mehr Firmen zu TikTok vor.“ Für Unternehmen stellt TikTok eine besondere kommunikative Herausforderung dar: Einerseits will man bei einem jungen Publikum gut ankommen, andererseits darf der Auftritt das Image der Marke nicht beschädigen. Jede Peinlichkeit will vermieden werden. „Österreichische Unternehmen haben sich bis dato eher zögerlich verhalten, was die Nutzung von TikTok betrifft“, stellt Gogl fest, die selbst die Marketingabteilung der Münchner Verkehrstechnikfirma Yunex Traffic leitet. „Erst einige große Firmen, etwa Bank Austria oder willhaben.at, haben – übrigens durchaus sehenswerte – Channels eingerichtet. Ein sehr guter und erfolgreicher TikTokAuftritt ist auch dem ORF mit der ‘Zeit im Bild‘ gelungen.“
KURZ UND KNACKIG
Anders als bei YouTube oder Facebook können Unternehmen bei TikTok keine Werbeflächen kaufen, um sich einen direkten Zugang zu den Userinnen und Usern zu sichern. Der Content selbst muss die – mehr oder weniger hintergründige – Werbemessage beinhalten. Viele Firmen überlassen die kreative Werbearbeit gleich zur Gänze beliebten Influencer:innen und Influencern, indem sie für beide Seiten lukrative Kollaborationen abschließen. Ingrid Gogl sieht im Spiel mit dem Algorithmus, also mit der automatisch generierten Reihenfolge, in der Videos am Smartphone ausgespielt werden, die zentrale Challenge für sämtliche Content Creators: „Der Algorithmus von TikTok ist ein großes Geheimnis. Es gehört Mut dazu, sich als Unternehmen darauf einzulassen. Man kann aktuelle Hashtags verwenden oder populäre Musikstücke einbauen, aber es gibt keine Garantie, dass ein Video groß ausgespielt wird oder bei den Leuten gut ankommt.“ Eines sei aber gewiss: Die Inhalte müssten stets „kurz, knackig und ‚snackable‘“ sein, so die Marketingexpertin. „Das Schlüsselwort heißt: unterhaltsam. Wer auf TikTok einfach die herkömmlichen Werbebotschaften abspult, wird keinen Erfolg haben. Aber auch ‚gewollt lustige‘ Inhalte werden vom jungen Publikum schnell als Anbiederung enttarnt und fallen durch.“ Nach der Devise „Ganz oder gar nicht“ rät Gogl: „Einen TikTok-Kanal einzurichten, nur um als Unternehmen ‚auch dabei zu sein‘, bringt nichts. Man muss viel Zeit und Hirnschmalz investieren.“
„SNACKABLE“ NEWS
Eine Erkenntnis, die zurzeit auch viele österreichische Medienunternehmen gewinnen. Gerade in dieser Branche ist der Generationensprung unter den Konsumentinnen und Konsumenten eklatant: Junge Menschen lesen so gut wie keine gedruckten Tageszeitungen mehr. Und immer weniger schauen „herkömmliches“ Fernsehen. Der Medien- und vor allem der Nachrichtenkonsum findet fast ausschließlich online statt, und hier meist auf Social Media. Folgerichtig machen sich immer mehr etablierte Medien daran, junge Menschen dort zu erreichen, wo sie „zu Hause“ sind: auf TikTok, YouTube, Instagram. Ein österreichisches Medium, dem das bereits gut zu gelingen scheint, ist die Tageszeitung „Kurier“. Deren TikTok-Kanal hat seit dem Start im April 2022 bereits 38.000 Follower gesammelt. „Unsere tägliche Herausforderung ist: Wie präsentiert man News-Themen, die oft sehr ernst und komplex sind, möglichst kurz und unterhaltsam für eine junge Zielgruppe?“, sagt Caroline Bartos, eine der Redakteurinnen hinter dem TikTok-Kanal des „Kurier“: „Gleichzeitig müssen wir stets die journalistische Sorgfaltspflicht einhalten.“ Die Videos mögen kurz und prägnant sein – das bedeutet jedoch nicht, dass sie auch im Handumdrehen produziert sind. „Die journalistische Arbeit an Social Media, besonders an Kurzvideos, wird von Außenstehenden oft unterschätzt. Dabei ist der Aufwand de facto der gleiche wie für einen Artikel in der Zeitung“, erklärt Bartos. Ihre Kollegin Lena Hemetsberger, verantwortlich für alle Social-Media-Kanäle beim „Kurier“, ergänzt: „Gerade das Format des Erklärvideos, das sehr beliebt ist auf TikTok, verlangt sehr harte Arbeit am Skript, also am Ablauf und am Text. Man muss eine einfache Sprache verwenden, die möglichst viele Leute erreicht und bei der Stange hält.“
ÖSTERREICHISCHE MEDIENACCOUNTS AUF TIKTOK
ORF „ZEIT IM BILD“
@zeitimbild 365.000 Follower
KURIER
@kurier.at 38.000 Follower
DER STANDARD
@derstandard 32.000 Follower
KRONEN ZEITUNG
@krone.at 69.000 Follower
KLEINE ZEITUNG
@kleinezeitung 16.000 Follower
DIE CHEFREDAKTION
@die_chefredaktion 4.500 Follower
“TikTok ist mittlerweile im Mainstream angekommen.“
DATENSCHUTZ UND POLITIK
So witzig und informativ eine Runde TikTokSchauen in der Straßenbahn auch sein mag – man darf sich berechtigte Sorgen machen, wie das Unternehmen mit den Daten seiner Userinnen und User umgeht. Mehrere Medien haben in den letzten Monaten berichtet, dass TikTok auf mehr Userdaten zugreift, als für den Betrieb der App eigentlich notwendig wären. Das Unternehmen selbst hat jegliche Weitergabe von persönlichen Daten, etwa an die chinesische Regierung, jedoch stets abgestritten. Userinnen und User sollten jedenfalls auf Nummer sicher gehen und in den App-Einstellungen die Datenweitergabe möglichst einschränken.
Darüber hinaus haben in den vergangenen Jahren viele Content Creators berichtet, dass ihre Videos gelöscht oder zensiert worden seien, wenn bestimmte „sensible“ politische Begriffe vorkamen – etwa zur Situation der uigurischen Bevölkerung in China. „TikTok geht bei politischen und gewaltvollen Inhalten sehr restriktiv vor“, schildert Lena Hemetsberger ihre eigene Erfahrung. „Zum Beispiel wurde unser News-Clip über das Fischsterben im burgenländischen Zicksee gelöscht – weil die Bilder der toten Tiere für TikTok eine ‚Gewaltdarstellung‘ bedeuteten.“ Das Unternehmen habe aber eine sehr aktive Kommunikationsabteilung, fügt Hemetsberger hinzu: „TikTok steht gerade mit Medien-Channels in engem Austausch und bemüht sich um ein besseres gegenseitiges Verständnis – was man von anderen Social-Media-Unternehmen in der Form nicht gewohnt ist.“
FOTO: AdobeStock/Halfpoint
Von Ivona Jelcic.
Jedes Mal, wenn wir Social Media nutzen, werden Daten über uns gesammelt. Ihre missbräuchliche Verwendung gefährdet Gesellschaft und Demokratie. Auch im Einsatz künstlicher Intelligenz in Alltagsanwendungen sehen Expertinnen und Experten ein wachsendes Problem.
Alte Schulfreundinnen und Schulfreunde wiederfinden, neue Kontakte knüpfen, mit anderen kommunizieren: Milliarden von Menschen nutzen Facebook für diese Zwecke, doch das Unternehmen steht für sehr viel mehr. Plattformen wie Facebook sind Werbeflächen und Marktplätze, Informations- und Entertainment-Kanäle, Austragungsorte des Kampfes um Meinungshoheiten sowie Stimmungsbarometer. Das macht sie auch für die Politik höchst interessant.
Parteien suchen heute via Facebook, Instagram, Twitter & Co. den direkten Kontakt zu potenziellen Wählerinnen und Wählern, sogar Rücktritte von Politikerinnen und Politikern werden mit unter auf Facebook und nicht vor der Presse verkündet. Kurzum: Der digitale Raum ist längst auch zum politischen Spielfeld geworden. Doch wer bestimmt die Regeln? Mit ihrer Marktmacht haben große Unternehmen wie Facebook oder Google gute Karten und massenhaft Daten in der Hand, die sie über uns sammeln. Mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) lassen sich diese Daten verarbeiten, Verhaltensmuster analysieren und Werbezielgruppen definieren. Algorithmen bestimmen schließlich, welche Inhalte uns angezeigt werden. Doch Skandale der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass unsere Daten auch missbraucht werden können, um politische Meinungen und damit Wählerinnen und Wähler zu manipulieren, wie im US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2016 und bei der Brexit-Kampagne im selben Jahr. Dabei kamen auch sogenannte Social Bots zum Einsatz: Fake-Profile, die auf Social-Media-Plattformen wie menschliche Userinnen und User agieren, aber zu bestimmten Zwecken programmiert werden. Zum Beispiel, um gezielt Fake News zu verbreiten.
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ IM ALLTAG
Datenschutz im digitalen Raum, Transparenz bei Online-Werbung, eine strengere Regulierung digitaler Märkte und gesetzliche Regelungen zum Einsatz von künstlicher Intelligenz stehen auch auf der Agenda der EU. Gerade im Hinblick auf
das geplante europäische KI-Gesetz pocht die Datenschutzexpertin und Konsumentenschützerin Daniela Zimmer von der Arbeiterkammer (AK) Wien auf weitgreifendere Regeln, als sie in den bisherigen Entwürfen vorgesehen sind. Denn KI ist längst auch fester Bestandteil zahlreicher Alltagsanwendungen, von der Suchmaschine bis zum Smart Home. Auch in die Versicherungsbranche hat künstliche Intelligenz mittlerweile Einzug gehalten. Die Kategorisierung von Menschen durch Algorithmen könnte hier besonders bedenkliche Auswirkungen haben, warnt Zimmer: „Denn es spaltet, wenn Menschen anhand von immer minutiöseren Eigenschaftsprofilen auseinanderdividiert werden und es dann heißt: Du kommst in den Genuss von etwas, aber der andere nicht.“ Gemeint sind zum Beispiel Versicherungsleistungen, die auf Basis dieser Profile zu- oder aberkannt werden.
„Wenn sich dann hinter KI verschanzt und gesagt wird, das ist aber statistisch richtig, dann ist das Gerechtigkeitsempfinden von Menschen sehr rasch berührt“, sagt die Expertin.
RECHT AUF OFFLINE NUTZUNG
Die Spaltung der Gesellschaft gefährde letztlich auch die Demokratie. Auch deshalb wünscht sich Expertin Daniela Zimmer eine „breitere Debatte“, Verbraucherschützerinnen und -schützer kämen da nämlich schnell an ihre Grenzen. „Wo zum Beispiel Deepfakes eingesetzt werden, oder wo Internetaktivität einer Emotionserkennung ausgesetzt ist, berührt das auch die Menschenwürde. Nehmen wir Computerspiele: Da werden jetzt auch schon Kinder mit Emotionserkennung in ihrem Gefühlsleben getrackt.“ Mit Emotionserkennung ist gemeint, dass mittels Gesichtserkennungs-Software der Gefühlszustand von Personen analysiert wird. Und auch hier stellt sich die Frage, was am Ende mit den dabei erhobenen Daten passiert.
Man müsse deshalb sicherstellen, so Zimmer, dass Grundrechte verlässlich gewahrt werden. Ein Rezept dafür seien unter anderem Anonymisierungsstandards. „Es geht darum, festzulegen, ab wann Daten als verlässlich anonym gelten. Denn nur, weil ein Unternehmen behauptet, dass Daten anonymisiert werden, ist es nicht zwingend auch so.“ Zimmer plädiert aber auch für ein
Selbstbestimmungsrecht von Konsumentinnen und Konsumenten. Weil heute schon über unzählige Alltagsgeräte mit Digitalanschlüssen Daten gesammelt würden, müsse es ein Recht darauf geben, „gewisse Grundfunktionen offline zu benutzen“. Und die Frage, mit wie vielen persönlichen Daten man Facebook und andere Plattformen füttert, sollte sich natürlich auch jede und jeder Einzelne stellen.
Von Cornelia Ritzer.
Internet-Plattformen sind zu unseren täglichen Begleitern geworden. Die Nutzung von Social-Media-Diensten ist gratis – aber nicht kostenlos: Die Daten, die wir hergeben, sind für die Online-Riesen ein gutes Geschäft.
Erinnern Sie sich noch, als Sie erstmals ein Social- Media-Profil erstellt haben? Vermutlich war es ein Facebook-Account: Die Plattform ist laut Statista.com mit 5,35 Millionen Accounts hierzulande die Nummer eins. Die zweitmeisten Nutzerinnen und Nutzer in Österreich, nämlich 3,91 Millionen, hat das Foto- und Video-Sharing-Netzwerk Instagram, dahinter folgt die Bilder-Plattform Pinterest (2,2 Millionen Userinnen und User). Die Nutzerinnen und Nutzer von Facebook werden älter – auch in Österreich: Knapp die Hälfte der Menschen, die hierzulande auf der Plattform aktiv sind, ist über 35 Jahre alt. Doch bei den unter 18-Jährigen spielt die Plattform keine große Rolle mehr: Österreichs junge Generation trifft sich auf Instagram, Snapchat oder TikTok. Besonders Letzteres liegt im Trend: Mit einem Plus von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr zählt das Videoportal laut „Jugend-InternetMonitor 2022“, einer Initiative von Saferinternet.at zur Social-Media-Nutzung unter Österreichs Jugendlichen, zu den am schnellsten wachsenden Plattformen in dieser Zielgruppe.
WENIGE BEHERRSCHEN DEN MARKT
Die Österreicherinnen und Österreicher nutzen das Internet aber nicht nur für Social Media. Auch Messaging-Dienste, Suchmaschinen und andere digitale Services wie Internetbanking oder Online-Shopping sind gefragt. Die Nutzung sozialer Medien ist vordergründig gratis, ein Account ist rasch erstellt. Die Währung, in der gezahlt wird, sind unsere persönlichen Daten, mit denen die Konzerne ihr Geschäft machen. Problematisch ist dabei, dass der Digitalmarkt von einigen wenigen US-Tech-Riesen beherrscht wird: Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft (siehe Kasten).
Es ist also naheliegend, dass Daten als wertvolle Ressource gehandelt werden. Denn sie verraten viel überdie Userinnen und User, die wiederum eine interessante Zielgruppe für Unternehmen sind, die mit relevanter Werbung weitere Kundinnen und Kunden gewinnen wollen. Das Wissen um Alter, Geschlecht und Lebensverhältnisse, aber auch um die Bedürfnisse und Vorlieben der Menschen ist wertvoll – und kann zu treffsicheren Werbeanzeigen für Produkte gemacht werden. Werbung ist also die Cash-Cow der großen Internetunternehmen: Der Konzern Meta etwa konnte im dritten Quartal 2022 einen Umsatz von rund 27,7 Milliarden Dollar verkünden – 98 Prozent davon stammen aus Werbeeinnahmen. Lukrativ für die Plattformen ist es außerdem, wenn Userinnen und User über längere Zeit auf Social Media aktiv sind. Der filternde Algorithmus sorgt dafür, dass das gelingt: Die Nutzerinnen und Nutzer sehen mehr von jenen Inhalten, die ihnen gefallen, und verweilen daher auf der Plattform. Mittlerweile ist erwiesen, dass dies vor allem negative Emotionen wie Wut und Hass bewirken. Kritikerinnen und Kritiker weisen daher wiederholt darauf hin, dass sich polarisierende Inhalte im Netz häufiger und rascher verbreiten. Das ist in erster Linie für die Kasse der Online-Unternehmen gut, aber nicht immer für die Userinnen und User. Zu wissen, wie die Digitalökonomie funktioniert und wie unser Nutzungsverhalten beeinflusst werden kann, ist deshalb umso wichtiger.
SOCIAL NETWORKS UND IHRE AKTIVEN NUTZERINNEN UND NUTZER
WELTWEIT
- Facebook 2,9 Milliarden
- YouTube 2,5 Milliarden
- WhatsApp 2 Milliarden
IN ÖSTERREICH
- Facebook 5,3 Millionen
- Instagram 3,9 Millionen
- Pinterest 2,2 Millionen
TECH-GIGANTEN : BIG FIVE
Apple ist die wertvollste Marke der Welt. Wie andere Tech-Riesen wächst der Hard- und Softwareentwickler durch Übernahme anderer Firmen. Apple entwickelt Computer, Smartphones sowie Betriebssysteme und betreibt ein Portal für Musik, Filme und Software.
Google ist eine der am schnellsten wachsenden Marken. Das Google-Universum – die Gesellschaft Alphabet – besteht aus mehr als nur der Suchmaschine. YouTube gehört ebenso dazu wie das Betriebssystem Android, reCAPTCHA, das Schutz vor Spam bietet, oder der Werbespezialist AdMob.
Zu einem regelrechten Imperium entwickelte sich der Online-Händler Amazon: Neben dem Marketplace bietet er eine Film-Streaming-Plattform und einen Musik-Streaming-Dienst. Führend ist der Cloud-Anbieter Amazon Web Services, der von vielen Plattformen genutzt wird.
Facebook ist mehr als bloß eine Plattform, auf der man Kolleginnen und Kollegen oder alte Bekanntschaften finden kann. Zu Meta – dem Tech-Unternehmen von Mark Zuckerberg – gehören Instagram, Facebook Messenger sowie das Messaging-Service WhatsApp.
Ein Erfolgstreiber sind Abo-Modelle – Microsoft ist ein Beispiel dafür. Das Unternehmen ist der weltweit größte Softwarehersteller, das Betriebssystem Windows und das Softwarepaket Office sind Marktführer.
Von Ivona Jelcic.
Die Corona-Pandemie der vergangenen Jahre hat sich erkennbar auf die Mediennutzung in Österreich ausgewirkt. Daraus ergeben sich Krisen, aber auch Chancen.
Pünktlich zum Beginn der Nachrichtensendung versammelt sich die Familie vor dem Fernsehgerät: Das klingt nach längs vergangenen Zeiten, dürfte sich im Frühjahr 2020 aber auch in Österreich wieder häufiger so zugetragen haben. Nach dem Aufkommen der Infektionskrankheit Covid-19 war die Verunsicherung in der Bevölkerung enorm, und entsprechend groß war auch das Informationsbedürfnis. TV, Radio und Zeitungen erzielten Rekordreichweiten, auch bei jungen Menschen, die von klassischen Medien immer schwerer zu erreichen schienen.
NEWS WERDEN ZUR BELASTUNG
Das Bild vom einträchtig vor der Mattscheibe versammelten Mehrgenerationenpublikum greift dennoch zu kurz, weil Nachrichten längst nicht mehr nur linear konsumiert werden. Unabhängig von der Art der Mediennutzung stieg aber gerade zu Beginn der Pandemie die Bedeutung von Qualitätsjournalismus und etablierten Medien, während Social-Media-Quellen in den akuten Pandemiephasen an Bedeutung verloren. Das ergaben Befragungen, die das Gallup-Institut in Kooperation mit dem Medienhaus Wien ab März 2020 regelmäßig durchgeführt hat. Im zweiten Halbjahr 2021 gab jedoch fast die Hälfte der Befragten (jeweils 1.000 Personen, repräsentativ für die webaktive Bevölkerung ab 16 Jahren) an, sich nicht mehr täglich über die Pandemie zu informieren. Der Ausspruch „Only bad news are good news“ über die auflagenstärkende Kraft von Negativmeldungen ist bekannt, bezieht sich aber in erster Linie auf die Macht der Sensation. Was die Berichterstattung über die Coronakrise betrifft, ging die Tendenz zuletzt verstärkt in Richtung Nachrichtenvermeidung. Einen Grund dafür nennt der Medienforscher Andy Kaltenbrunner vom Medienhaus Wien: „Die Leute sind erschöpft und wollen sich den schlechten Nachrichten nicht mehr aussetzen“, zumal mit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges im Februar 2022 noch weitere von vielen als belastend empfundene Nachrichten hinzugekommen seien. Die Zahlen zeigen aber auch, dass etablierte Medien ihren Vertrauensbonus im Verlauf der Coronakrise in Teilen der Bevölkerung eingebüßt haben. Zu beobachten war eine Spaltung in zwei Lager von Medienkonsumentinnen und Medienkonsumenten. Insbesondere impf- und maßnahmenkritische Menschen bewerteten die Arbeit der klassischen Medien – im Gegensatz zu bereits geimpften oder impfbereiten Personen – zunehmend negativ und attestierten ihnen eine geringe Glaubwürdigkeit. Zugleich etablierten sich, wie auch andere Studien zum Medienverhalten zeigen, mediale Sammelbecken für sogenannte Corona-Skeptikerinnen und Corona Skeptiker. Unter 30-Jährige wandten sich außerdem wieder verstärkt Social-Media-Kanälen zu.
VIELE SIND NICHT MEHR ERREICHBAR
„Die Coronakrise wirkt wie ein Brennglas auf die Herausforderungen der Legacy-Medien“, kommentiert Andrea Fronaschütz, Leiterin des Gallup-Instituts, die Ergebnisse einer Befragungswelle aus dem Jahr 2021. Zwar waren 74 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher der Ansicht, dass unabhängiger Journalismus für eine demokratische Gesellschaft „sehr wichtig“ sei. Doch den klassischen Medien sei es in den Monaten zuvor nicht gelungen, „jene Bevölkerungssegmente abzuholen, die bereits vor der Krise zu den schwer Erreichbaren zählten: die Politikverdrossenen, welche die Medien als Bestandteil des Systems ansehen, und die Jungen. Auch Menschen, die laut Selbstauskunft unter den Einschränkungen der Pandemie stark gelitten haben, urteilen schlecht über die Berichterstattung. Konstruktive, lösungsorientierte Nachrichten werden vermisst.“ In unabhängigem Journalismus, digitalen Angeboten und Formaten, die Interaktion fördern, sieht auch Medienforscher Kaltenbrunner eine Möglichkeit, diese Gruppen zurückzugewinnen und dauerhaft zu halten. Allerdings werde diese Chance bislang noch zu wenig genutzt, so der Experte.
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Das Gespräch führte fit4internet.
Andre Wolf, Pressesprecher des Vereins Mimikama, rät zum Finden einer Gesprächsbasis, wenn im Familien- oder Freundeskreis Falschmeldungen oder Verschwörungstheorien verbreitet werden. Um resistent zu bleiben, sollte man das Internet und Social Media bewusst und souverän nutzen.
Wie entstehen Fake News und Verschwörungstheorien? Und welchen Zweck verfolgen sie?
Bei Verschwörungstheorien handelt es sich um ganze Geschichten, die auch sinnstiftende Kerne haben. Fake News sind nadelstichartige, breit gefächerte Falschmeldungen, die über Social Media verbreitet werden und sich sinnstiftender Erzählungen bedienen. Fake News tauchen häufig im Fahrwasser von realen Umständen auf. Sie sind also anlassbezogen und dienen der Desinformation, Irritation sowie Manipulation. Verschwörungstheorien hingegen dienen nicht zwingend der Manipulation, sondern eher der Erklärung von Lebensumständen. Komplexe Probleme werden auf eine einfache Basis heruntergebrochen
und schwer verständliche Phänomene erklärt. Der Aufbau von Feindbildern ist bei Verschwörungstheorien ein wichtiger Komplex, da ein Feindbild zur Kanalisation von Wut, Ängsten und Ratlosigkeit dienen kann. Ebenso kann die propagierte Zerstörung eines Feindbildes eine vermeintliche Lösung des jeweiligen Problems darstellen.
Auf welchen Plattformen werden Fake News und Verschwörungstheorien häufig verbreitet?
Einige Plattformen sind dafür besser geeignet als andere. Instagram weist weniger manipulative Falschmeldungen
auf als die komplexere Plattform Facebook, auf der mannigfaltigere Darstellungsformen von Inhalten verbreitet werden können: Texte, Bilder, Videos, alles in Kombination. Messenger bieten ebenfalls die Möglichkeit, eine Mixtur von Darstellungsformen zu nutzen. Überdies vermitteln sie im Gegensatz zu offeneren Plattformen wie Facebook und Twitter eine gewisse
Vertraulichkeit. Daher ist in den letzten Jahren vor allem Telegram stark gewachsen. Und im Vergleich zu Facebook und Twitter wird auf Telegram bei Falschmeldungen und Verschwörungstheorien weniger oft eingegriffen.
Was sind die häufigsten Inhalte oder Themenfelder bei Fake News und Verschwörungstheorien?
Mit großer Reichweite versehen sind anlassbezogene Falschmeldungen. Das bedeutet, dass sich Falschmeldungen an realen Vorkommnissen orientieren. Dadurch werden diese Geschehnisse bewusst verzerrt. Das hat auch damit zu tun, wer Interesse an Desinformation hat. Manchmal sind es lediglich falsch interpretierte Beobachtungen harmloser Natur, die zu Missverständnissen, Falschmeldungen oder Verschwörungstheorien führen können. Auf der anderen Seite können bewusst demokratieschädigende Falschmeldungen verbreitet werden. Aber fast immer gibt es einen realen Anlass.
Wie erkennt man Fake News und Verschwörungstheorien und schützt sich davor?
Der souveräne Umgang mit Social Media und das Wissen um manipulative Kommunikationsstrategien sind sehr wichtig in der Prävention. In der Bildung nutzen wir zwei verschiedene Modelle, um dieses Wissen zu vermitteln. Das sogenannte Debunking versetzt Menschen in die Lage, Falschmeldungen zu entlarven. Hierbei wird Wissen zu bestimmten Tools und Recherchemöglichkeiten vermittelt. Auf der anderen Seite steht das Prebunking, das Erkennen von Falschmeldungen und Verschwörungstheorien, sobald oder auch schon bevor sie auftreten. Hier werden klassische sinnstiftende Verschwörungserzählungen analysiert und beobachtet, wann sie in der Vergangenheit angewendet wurden, um zu erkennen, in welchem Kontext sie das nächste Mal auftauchen könnten. Das Prebunking ist wie eine Impfung.
„Man sollte sich nicht von starken Boulevard- Schlagzeilen beeindrucken lassen.“
Wie soll man reagieren, wenn jemand im Familien- oder Freundeskreis Fake News und Verschwörungstheorien teilt?
Das ist ein sensibles Thema. Gerade in der Familie oder im Freundeskreis will man mit Menschen in gutem Kontakt stehen, auch wenn sie wiederholt Falschmeldungen oder gar Verschwörungstheorien verbreiten. Sinnvoller als das plumpe Entgegenwerfen von Fakten ist, eine gemeinsame Gesprächsbasis zu finden. Man spricht über Urlaube, Haustiere oder gemeinsame positive Erlebnisse. Es ist wichtig, immer die Tür zum Gespräch einen Spalt offen zu halten, selbst jedoch resistent zu bleiben. Faktenchecks oder Recherche sind wichtig, um Wissen zu einem Thema zu haben. Es braucht jedoch eine vorsichtige Herangehensweise an die Sache. Und es kann notwendig sein, dass man im Vorfeld von Familientreffen und Feiern Gesprächsinhalte absteckt. Ich darf durchaus den Wunsch äußern, dass bestimmte Themen nicht angesprochen werden, um Streitereien zu vermeiden. Diese Gesprächsgrenzen gelten dann für alle.
Wie schützt man sich vor dem Abgleiten in eine Filterblase?
Es ist wichtig, Radikalität zu vermeiden, ob auf Social Media oder im realen Leben, denn die lässt einen in bestimmte Filterblasen hereindriften. Wenn ich also ein offenes Auge habe, immer wieder unvorhersehbare Informationen auf Social Media konsumiere und mir ein breites Themenfeld anschaue, ist der Radikalisierungseffekt weniger stark. Darüber hinaus sollte ich mir über den Confirmation Bias, zu Deutsch Bestätigungsfehler, bewusst sein.
Das bedeutet, dass ich jene Informationen als wahr erachte, von denen ich schon vorher überzeugt war. Gerade im Internet besteht eine so große Informationsfülle, dass ich mir quasi aussuchen kann, was ich für richtig halte. Ob diese Informationen vielleicht manipuliert sind, spielt dabei keine Rolle. Sie bestätigen einfach meine Überzeugung. Diese Gefahr muss ich mir immer vor Augen halten. Auch die Geschwindigkeit des Konsums von Informationen spielt eine Rolle. Man sollte sich nicht von starken Boulevard-Schlagzeilen beeindrucken lassen, sondern schauen, welche Information übermittelt wird und wie stark die geschilderten Ereignisse dramatisiert wurden
Von Kim Kopacka
Wer steckt hinter manipulativen und gefälschten Nachrichten?
Und wie kann man sich vor ihnen schützen?
Es ist noch nicht lange her, da führte uns eine Recherche in Bibliotheken, wo wir dicke Bücher wälzten und Artikel exzerpierten. Heute hingegen reichen wenige Klicks, um an Informationen zu gelangen – dem Internet sei Dank. Ebenso leicht verbreiten sich im Netz aber auch Falschmeldungen, sogenannte Fake News. Manche davon sind harmlos, andere können großen Schaden anrichten.
WAS SIND FAKE NEWS?
Fake News, also falsche, irreführende oder ungenaue Informationen, sind kein neues Phänomen. Durch das Internet und insbesondere über soziale Plattformen wie Twitter oder Instagram, Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Telegram sowie Videoportale wie You-Tube erreichen sie aber heute in Sekundenschnelle mehr Menschen als je zuvor. Als einer der bekanntesten Produzenten von Fake News gilt der ehemalige US-Präsident Donald Trump. Allein während seiner vierjährigen Amtszeit brachte er laut einer Zählung der „Washington Post“ 30.573 Botschaften mit zweifelhaftem Wahrheitsgehalt in Umlauf. Während des Präsidentschaftswahlkampfes im Jahr 2016 kursierte auch die Meldung, dass Papst Franziskus dazu aufgerufen hätte, für Trump zu stimmen – eine reine Erfindung, wie sich später herausstellte. Dennoch hatte die Nachricht eine große Wirkung und stärkte Trumps Ansehen, da viele Menschen nur die Überschrift lasen, ohne die Seriosität der Quelle zu überprüfen.
WER STECKT DAHINTER?
Im Fall von „Papst sagt: Wählt Trump!“ wurde eine Unwahrheit aus politischen Gründen lanciert. Andere wiederum verbreiten Fake News, weil sich damit Geld verdienen lässt. So wurde, ebenfalls während des US-Wahlkampfes 2016, eine Gruppe junger Computerenthusiasten aus Mazedonien bekannt. Ihr Ziel war es, möglichst viele Menschen dazu zu bringen, ihre Websites beziehungsweise Facebook-Profile anzuklicken und sich die darauf platzierte Werbung anzusehen. Je mehr Klicks generiert werden konnten, desto höher waren die Einnahmen. Und wie die Jugendlichen schon bald erkannten, hatten Fake News zum amerikanischen Wahlkampf eine weit größere Wirkung als seriöse Inhalte.
SO ERKENNT MAN FALSCHMELDUNGEN
Doch wie lässt sich herausfinden, welchen Meldungen man glauben kann? Hier gibt es mehrere Möglichkeiten. Erscheint etwa ein Artikel in einem Social-Media- Profil, das erst kürzlich erstellt wurde, wenige Follower aufweist und reißerische Inhalte hat, so handelt es sich möglicherweise um einen Social Bot, also einen Softwareroboter, der gezielt Fake News verbreitet. Aber auch Bilder und Videos lassen sich bearbeiten oder können aus dem Zusammenhang gerissen werden. Deshalb empfiehlt sich die umgekehrte Bildersuche. Über Tools wie TinEye oder RevEye lässt sich etwa eruieren, wann und in welchem Kontext ein Foto zum ersten Mal veröffentlicht wurde.
Ebenso lohnt sich ein Blick ins Impressum einer Website oder auf Faktencheck- Plattformen wie Mimikama, Correctiv oder Hoaxmap. Darüber hinaus decken Faktencheckerinnen und Faktenchecker des ORF und des Nachrichtenmagazins „profil“ in der wöchentlichen Fernsehsendung „Fakten mit profil – Recherchen von faktiv und ORF III“ Falschbehauptungen auf. Letztendlich schadet es nie, skeptisch zu bleiben und sich ab und an selbst zu hinterfragen. Denn eine Nachricht, die der eigenen Erwartungshaltung entspricht, glaubt man zwar eher; das heißt aber noch lange nicht, dass sie auch stimmt.
Von Teseo La Marca.
Mit Smartphone oder Smartwatch zu bezahlen ist praktisch – und wenn man bestimmte Vorkehrungen trifft, auch sicher.
Die schwere Geldbörse einfach mal zu Hause lassen und den Cappuccino im Café, das Benzin an der Tankstelle und die Milch im Supermarkt bequem mit dem Smartphone, der Quartz-Uhr oder der Smartwatch bezahlen: Das ist der praktische Gedanke hinter dem mobilen Bezahlen (Mobile Payment).
WIE FUNKTIONIERT MOBILES BEZAHLEN?
Der Unterschied zu anderen digitalen Bezahldiensten besteht darin, dass beim mobilen Bezahlen nicht im Internet, sondern direkt am sogenannten Point of Sale, dem physischen Verkaufsort, mithilfe eines Smartphones oder eines anderen mobilen Endgeräts, etwa einer Smartwatch, bezahlt wird. Es handelt sich im Grunde um die digitale Variante des kontaktlosen Be-zahlens mit Plastikkarten. Damit dies möglich ist, muss Ihr Smartphone die NFC-Funktion (Nahfeldkommu-nikation; eine Funktechnik für kontaktlose Datenüber-tragung) unterstützen und über eine aktive Mobile-Payment-App verfügen. Mobile-Payment-Lösungen wie Apple Pay oder Google Pay lassen sich auch über den je-weiligen Internetbrowser (Safari oder Google Chrome) verwenden.
DIE WICHTIGSTEN ANBIETER UND AKTUELLE TRENDS IM ÜBERBLICK
Weltweit gibt es mehr als 300 Anbieter für Mobile Payment. Zu den beliebtesten Apps in Österreich gehören Bluecode, Apple Pay und Google Pay sowie Fitbit Pay und Garmin Pay (beide für Smartwatch). Laut einer von der Österreichischen Nationalbank 2020 durch-geführten Zahlungsmittelumfrage wurden im Einzel-handel im Jahr 2020 nur 0,7 Prozent der Transaktionen mit dem Mobiltelefon getätigt. Das klingt zunächst nach wenig, doch der Trend zeigt, gemessen an frühe-ren Befragungen, klar nach oben und dürfte sich mit der Pandemie noch verstärkt haben. Neun Prozent der Befragten haben sich jedenfalls schon ausgerüstet und gaben in derselben Studie an, über ein NFC-fähiges Smartphone mit einer entsprechenden Bezahl-App zu verfügen.
Viele Unternehmen erkennen das Potenzial von Mobile Payment: von Supermärkten, die an der Kassa die Bezahlung via Supermarkt-App einrichten, bis hin zu Banken, die eine Digitalisierung ihrer Debit- und Kreditkarten anbieten. Auch die Europäische Zentralbank erwägt aktuell die Möglichkeit, einen „digitalen Euro“ einzuführen, der für Mobile Payments verwendet werden kann.
IST MOBILES BEZAHLEN SICHER?
Mobile Payment bietet ein hohes Sicherheitsniveau. Wenn man bedenkt, dass herkömmliche Kreditkarten leicht verloren gehen, ist das Smartphone beziehungs-weise die Smartwatch sogar die sicherere Methode – vorausgesetzt, dass Sie als Userin oder User bestimmte Sicherheitsvorkehrungen treffen:
- Aktivieren Sie die Standortermittlung des Geräts für den Fall eines Verlustes.
- Deaktivieren Sie bei Verlust des Smartphones umgehend die digitalisierten Bankkarten beziehungsweise kontaktieren Sie den Handybezahldienst oder die Sperrhotline der App.
- Sichern Sie das mobile Endgerät und die App mit Sperrcode ab, vorzugsweise mit einem biometrischen Verfahren wie Fingerabdruck (Touch-ID) oder Gesichtserkennung (Face-ID).
- Aktualisieren Sie regelmäßig Betriebssystem und Software der Bezahl-App, damit notwendige Sicherheitsupdates durchgeführt werden können.
- Beziehen Sie die gewünschte Bezahl-App nur aus sicheren Quellen und nutzen Sie sichere Internetverbindungen (öffentliche WLAN-Netzwerke bergen höhere Sicherheitsrisiken und sollten gemieden werden).
- Falls Sie eine Wallet-App für digitalisierte Bank- oder Kundenkarten verwenden, fügen Sie nur die notwendigen Karten hinzu.
- Klicken Sie E-Mails und Nachrichten nur dann an, wenn sie vertrauenswürdig erscheinen.
TIPP ZUM DATENSCHUTZ
Manche Anbieter speichern Kunden- und Transaktionsdaten für kommerzielle Zwecke. Informieren Sie sich deshalb, welche Daten von Ihrem Dienstleister gespeichert werden – und zu welchen Zwecken.