Von Ivona Jelcic.
Jedes Mal, wenn wir Social Media nutzen, werden Daten über uns gesammelt. Ihre missbräuchliche Verwendung gefährdet Gesellschaft und Demokratie. Auch im Einsatz künstlicher Intelligenz in Alltagsanwendungen sehen Expertinnen und Experten ein wachsendes Problem.
Alte Schulfreundinnen und Schulfreunde wiederfinden, neue Kontakte knüpfen, mit anderen kommunizieren: Milliarden von Menschen nutzen Facebook für diese Zwecke, doch das Unternehmen steht für sehr viel mehr. Plattformen wie Facebook sind Werbeflächen und Marktplätze, Informations- und Entertainment-Kanäle, Austragungsorte des Kampfes um Meinungshoheiten sowie Stimmungsbarometer. Das macht sie auch für die Politik höchst interessant.
Parteien suchen heute via Facebook, Instagram, Twitter & Co. den direkten Kontakt zu potenziellen Wählerinnen und Wählern, sogar Rücktritte von Politikerinnen und Politikern werden mit unter auf Facebook und nicht vor der Presse verkündet. Kurzum: Der digitale Raum ist längst auch zum politischen Spielfeld geworden. Doch wer bestimmt die Regeln? Mit ihrer Marktmacht haben große Unternehmen wie Facebook oder Google gute Karten und massenhaft Daten in der Hand, die sie über uns sammeln. Mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) lassen sich diese Daten verarbeiten, Verhaltensmuster analysieren und Werbezielgruppen definieren. Algorithmen bestimmen schließlich, welche Inhalte uns angezeigt werden. Doch Skandale der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass unsere Daten auch missbraucht werden können, um politische Meinungen und damit Wählerinnen und Wähler zu manipulieren, wie im US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2016 und bei der Brexit-Kampagne im selben Jahr. Dabei kamen auch sogenannte Social Bots zum Einsatz: Fake-Profile, die auf Social-Media-Plattformen wie menschliche Userinnen und User agieren, aber zu bestimmten Zwecken programmiert werden. Zum Beispiel, um gezielt Fake News zu verbreiten.
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ IM ALLTAG
Datenschutz im digitalen Raum, Transparenz bei Online-Werbung, eine strengere Regulierung digitaler Märkte und gesetzliche Regelungen zum Einsatz von künstlicher Intelligenz stehen auch auf der Agenda der EU. Gerade im Hinblick auf
das geplante europäische KI-Gesetz pocht die Datenschutzexpertin und Konsumentenschützerin Daniela Zimmer von der Arbeiterkammer (AK) Wien auf weitgreifendere Regeln, als sie in den bisherigen Entwürfen vorgesehen sind. Denn KI ist längst auch fester Bestandteil zahlreicher Alltagsanwendungen, von der Suchmaschine bis zum Smart Home. Auch in die Versicherungsbranche hat künstliche Intelligenz mittlerweile Einzug gehalten. Die Kategorisierung von Menschen durch Algorithmen könnte hier besonders bedenkliche Auswirkungen haben, warnt Zimmer: „Denn es spaltet, wenn Menschen anhand von immer minutiöseren Eigenschaftsprofilen auseinanderdividiert werden und es dann heißt: Du kommst in den Genuss von etwas, aber der andere nicht.“ Gemeint sind zum Beispiel Versicherungsleistungen, die auf Basis dieser Profile zu- oder aberkannt werden.
„Wenn sich dann hinter KI verschanzt und gesagt wird, das ist aber statistisch richtig, dann ist das Gerechtigkeitsempfinden von Menschen sehr rasch berührt“, sagt die Expertin.
RECHT AUF OFFLINE NUTZUNG
Die Spaltung der Gesellschaft gefährde letztlich auch die Demokratie. Auch deshalb wünscht sich Expertin Daniela Zimmer eine „breitere Debatte“, Verbraucherschützerinnen und -schützer kämen da nämlich schnell an ihre Grenzen. „Wo zum Beispiel Deepfakes eingesetzt werden, oder wo Internetaktivität einer Emotionserkennung ausgesetzt ist, berührt das auch die Menschenwürde. Nehmen wir Computerspiele: Da werden jetzt auch schon Kinder mit Emotionserkennung in ihrem Gefühlsleben getrackt.“ Mit Emotionserkennung ist gemeint, dass mittels Gesichtserkennungs-Software der Gefühlszustand von Personen analysiert wird. Und auch hier stellt sich die Frage, was am Ende mit den dabei erhobenen Daten passiert.
Man müsse deshalb sicherstellen, so Zimmer, dass Grundrechte verlässlich gewahrt werden. Ein Rezept dafür seien unter anderem Anonymisierungsstandards. „Es geht darum, festzulegen, ab wann Daten als verlässlich anonym gelten. Denn nur, weil ein Unternehmen behauptet, dass Daten anonymisiert werden, ist es nicht zwingend auch so.“ Zimmer plädiert aber auch für ein
Selbstbestimmungsrecht von Konsumentinnen und Konsumenten. Weil heute schon über unzählige Alltagsgeräte mit Digitalanschlüssen Daten gesammelt würden, müsse es ein Recht darauf geben, „gewisse Grundfunktionen offline zu benutzen“. Und die Frage, mit wie vielen persönlichen Daten man Facebook und andere Plattformen füttert, sollte sich natürlich auch jede und jeder Einzelne stellen.